12. Juni 2023

Zusammenfassung Podcast-Episode 2

Wofür steht der Digital-Kompass?

Bundesministerin Steffi Lemke bei der Eröffnungsrede des Digital-Kompass.
Quelle
Andi Weiland

Das Projekt Digital-Kompass: Statement zum Digital-Kompass der Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke und Vorstellung der beteiligten Projektpartner.

Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke zur Unterstützung des Projekts Digital-Kompass durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV):

„Das digitale Leben ist ja immer stärker in den letzten Jahren in unseren Alltag gekommen. Und deshalb ist es wichtig, dass alle Menschen in unserer Gesellschaft an diesen digitalen Prozessen, sei es im privaten Leben, sei es bei Behördengängen, im Beruf, teilnehmen können. Und ältere Menschen oder Menschen mit Beeinträchtigungen haben möglicherweise ein größeres Problem, sich in dieser digitalen Welt tatsächlich einzufinden. Und dafür ist das Projekt Digital-Kompass ein Angebot zur Unterstützung.“

Weiter führt sie an: Ziel des Projekts ist, den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher im digitalen Raum zu stärken, durch Kompetenzvermittlung und durch die „Kompass-Funktion des Projekts“. Das Projekt hat mehr als 100 Digital-Kompass Standorte, an denen ehrenamtlich Engagierte Unterstützung im digitalen Alltag bieten. Das Projekt konzentriert sich hauptsächlich auf die Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher durch Engagierte.

Teilnehmende des Gesprächs

Katharina Braun, Projektleiterin Digital-Kompass bei der BAGSO Service Gesellschaft: K. Braun ist federführend zuständig für die Qualifizierung engagierter Personen zum Thema Sehbehinderung und Hörbeeinträchtigung. Die Qualifizierung führt sie gemeinsam mit dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. (DBSV) und dem Deutschen Schwerhörigenbund (DSB) e. V. durch.   

Marie-Christin Schoeffel, Referentin Digital-Kompass, Deutschland sicher im Netz e. V. betreut u.a. die digitalen Lern-Tandems. Dort wird eine kostenfreie Eins-zu-eins Beratung zu digitalen Themen ermöglicht. Diese werden gemeinsam mit den Projektpartnern der Universität Vechta durchgeführt.

Angelika Ostrowski, Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) e.V. ist zuständig für das bundesweite und qualitätsgesicherte Beratungsangebot Blickpunkt Auge, Rat und Hilfe bei Sehverlust. Informiert wird zu den Themen finanzielle und sozialrechtliche Fragen, Hilfsmittel und Alltagshilfen und Rehabilitation bei Sehverlust. Das Ziel ist die Förderung der selbst bestimmten und gleichberechtigten Teilhabe der Betroffenen an der Gesellschaft. Die Durchsetzung von Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen, betreffend auch die Digitalisierung. A. Ostrowski ist eine Person mit Sehbehinderung und studierte Sehbehinderten-Pädagogin.

Gudrun Brendel, Deutscher Schwerhörigenbund (DSB) e.V.: Der DSB e.V. vertritt die Interessen von ca. 16 Millionen ertaubten und schwerhörigen Menschen in Deutschland im Bereich der Sozialpolitik und Aufklärungsarbeit. Der meiste Austausch im Leben findet mit Sprache statt. Umso wichtiger ist es zu lernen, welche Hilfsmittel genutzt werden können bei einer eingeschränkten Hörfunktion sowie was gut hörende Menschen im Umgang beachten können. G. Brendel hat selbst eine Hörbeeinträchtigung und ist im Bereich der Aus- und Weiterbildung tätig.

Guido Steinke, VERBRAUCHER INITIATIVE, Fachreferent 60 plus und Verbraucheranwalt. Die VERBRAUCHER INITIATIVE setzt sich als Projekt des Verbraucherschutzministeriums im Bereich Sicherheit im Internet besonders für nachhaltigen Verbraucherschutz ein. Bedingt durch die Pandemie gibt es seither die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger sich in die einstündigen hybrid Online-Runden mit inhaltlich versierten Referentinnen und Referenten (z.B. von dem europäischen Verbraucherzentrum) digital hinzuzuschalten oder vor Ort teilnehmen.

Devin Kwasniok, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Management sozialer Dienstleistungen, Universität Vechta. Die Universität Vechta versteht sich als Hochschule in Verantwortung und Ideengeberin für die Zukunft, mit Schwerpunkt auf soziale Dienstleistungen und den zugehörigen relevanten Themen Altern, sozialer und kultureller Wandel. Devin Kwasnioks Forschungsschwerpunkt liegt im Themenfeld menschliches Verhalten und Motive im Bereich sozialer Dienstleistungen, Digitalisierung im Alter und der digitalen Freiwilligenarbeit.

Haben Personen mit Sinnesbeeinträchtigungen besondere Bedarfe bei der digitalen Teilhabe? Was braucht es, um digitale Kompetenzen zu ermöglichen?

A. Ostrowski verdeutlicht, dass Personen mit Sehbeeinträchtigungen besondere Bedarfe bei der digitalen Teilhabe haben. Da der Mensch einen Großteil der Informationen visuell aufnimmt, entstehen Unsicherheiten und Probleme beim Nutzen digitaler Geräte, wenn das Sehen beeinträchtigt ist. Die Sehbeeinträchtigungen können außerdem zu Mobilitätseinschränkungen führen, betroffene Personen können Probleme mit Anfahrtswegen haben oder Ängste entwickeln, allein unterwegs zu sein. Hinderlich sind zudem die fehlenden Zugänglichkeiten von Webseiten, Schulungsmaterialien und Online-Angeboten.

Es steht folglich fest, dass digitale Barrierefreiheit ein wichtiges Anliegen ist, für das sich verschiedene Organisationen, wie der DBSV, einsetzen müssen. Menschen mit Sehbehinderung haben spezifische Bedürfnisse, um digitale Kompetenzen zu entwickeln und zu nutzen. Es erfordert Interesse, Motivation, Mut, Zeit und Kraft, um Schwierigkeiten zu überwinden und die digitalen Fähigkeiten zu erlangen. Hilfreich kann eine unterstützende Haltung in der Beratung und Schulung sein. Bedarfe sollten erfragt und aktive Unterstützung mehrfach angeboten werden, da nicht jeder sofort um Hilfe bittet oder sie gleich annimmt. Anregungen, Unterstützung und Probemöglichkeiten sind hilfreich, um die passenden (technologischen) Hilfsmittel zu entdecken und auszuwählen.

Folgende Maßnahmen können einen großen Unterschied machen, um die digitale Teilhabe für sehbehinderte Menschen zu fördern:

  • Betroffene Personen sollten in Konversationen häufiger mit ihrem eigenen Namen angesprochen werden, um direkt auf das Gespräch aufmerksam gemacht zu werden.
  • Wichtig ist allgemein mehr Zeit fürs Lesen, zum Schreiben und zur Orientierung einzuplanen. 
  • Konkrete Anhaltspunkte durch eine präzise Beschreibung von Gegenständen oder Räumlichkeiten können eine klare Orientierungshilfe darstellen.
  • Barrierefreie elektronische Dokumente und die Möglichkeit der Vergrößerung am Bildschirm ermöglichen es, Texte und Inhalte besser zu verfolgen.
  • Bei der Verwendung von Bildern und Grafiken ist es wichtig, dass diese eine gute Qualität und Auflösung haben.
  • Eine gute Beleuchtung und die Schaffung von Kontrasten erleichtern sehbehinderten Menschen die visuelle Wahrnehmung von Texten und Gegenständen.

Zur digitalen Teilhabe von Personen mit Hörbeeinträchtigungen zeigt G. Brendel mehrere wichtige Aspekte auf. Da diese Menschen Schwierigkeiten mit akustischer Kommunikation haben, ist es für sie wichtig, dass Informationen visuell verfügbar sind. Die zunehmende Digitalisierung stellt eine große Herausforderung für beeinträchtigte Menschen dar. Akustische Ansagen oder automatische Bandansagen erschweren die Kommunikation und können zu Missverständnissen oder Fehleingaben führen.

Im Laufe der Pandemie-Zeit haben sich jedoch auch Vorteile für betroffene Personen ergeben. Beispielsweise können durch die Nutzung digitaler Medien eine leichtere „direktere“ Kommunikation zwischen Studierenden und Dozierenden ermöglicht werden, sofern die Technik gut eingestellt ist. Bei der Teilnahme an Videokonferenzen oder anderen digitalen Interaktionen ist es dabei für Hörbeeinträchtigte wichtig, dass Untertitel verfügbar sind.

Um digitale Kompetenzen für Hörbeeinträchtigte zu ermöglichen, ist es wichtig, dass zum Beispiel Beraterinnen und Berater wissen, worauf sie achten können. Dazu zählen:

  • Direkter Blickkontakt, deutliches Sprechen und angemessene Pausen
  • Mikrofone sollten verwendet werden, um eine klare und deutliche Übertragung des gesprochenen Wortes zu gewährleisten.
  • Das Gesicht der Teilnehmenden sollte vollständig sichtbar sein, um das Mundbild und Gestik zu erkennen.
  • Das Vorhandensein von Piktogrammen und barrierefreien Informationen können signalisieren, dass hier Menschen mit Beeinträchtigung berücksichtigt werden. Dies kann Hemmschwellen abbauen.
  • Konkrete Anleitungen zur Aktivierung von Untertiteln und Spracherkennungsprogrammen sollen helfen, Barrieren abzubauen und Menschen mit Beeinträchtigung die Teilnahme zu erleichtern.

Wie kann es bei Mobilitätseinschränkungen zur digitalen Exklusion kommen? Wie kann der Digital-Kompass gegensteuern und helfen?

D. Kwasniok erklärt, dass Mobilitätseinschränkungen verschiedene Gründe haben können, Angeboten zu digitaler Teilhabe fernzubleiben. Dazu zählen körperliche Beeinträchtigungen oder mangelnde Verkehrsanbindung in ländlichen Gebieten. Dadurch können Menschen Schwierigkeiten haben, an Schulungsangeboten oder allgemein an gesellschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen, was zu digitalen Exklusion führen kann. Um dem entgegenzuwirken, wurde das digitale Lern-Tandem Projekt von der Universität Vechta und dem Digital-Kompass entwickelt. Eine interessierte (mobilitätseingeschränkte, meist ältere) Person erhält zu Beginn eine Lern-Tüte mit barrierefreien Printmaterialien zu verschiedenen Themen. Anschließend wird ihnen über einen Zeitraum von neun Wochen eine studentische Tandem-Person zur Verfügung gestellt, die bei der Erlernung digitaler Kompetenzen unterstützt. Durch diese Maßnahmen sollen die Teilnehmenden das Gelernte direkt anwenden können und langfristig motiviert bleiben, da sie den Erfahrungen nach, positive Auswirkungen in ihrem Alltag erfahren.

Welche digitalen Angebote gibt es im Digital-Kompass?

G. Steinke schildert, dass der Digital-Kompass viele inhaltliche Partner hat, die Bildungsangebote und Vorträge anbieten. Diese Partner lernen vom Digital-Kompass, wie sie ihre Inhalte in Zukunft so gestalten und präsentieren können, dass sie von Menschen mit Seh-, Hör- und Mobilitätseinschränkungen gut verfolgt werden können. Zudem gibt es Standorte, die vor Ort entsprechende Veranstaltungen organisieren und sich Menschen mit Beeinträchtigungen widmen. G. Steinke betont, dass viele Menschen Beeinträchtigungen haben und dass es wichtig ist, das Wissen und die Sensibilität, rund um diese Thematik weiterzugeben. Für ihn konkret bedeutet dies in der Umsetzung, dass die bisherigen Online-Fragerunden auf Zoom fortgeführt werden und dabei darauf geachtet wird, Menschen mit Beeinträchtigungen zu berücksichtigen, sowohl bei den Teilnehmenden als auch bei den Referierenden. Es wird empfohlen, deutlicher und langsamer zu kommunizieren, Materialien mitzubringen und Präsentationen als Text zusammenzufassen, um den Teilnehmenden die Möglichkeit zu geben, Informationen nachzulesen und sie sich vorlesen zu lassen. Aus der Praxiserfahrung lässt sich sagen, dass die Referentinnen und Referenten dankbar sind, für die Sensibilisierung und die Empfehlungen positiv aufnehmen.

Hierzu ergänzt K. Braun, dass die neue Projektidee aufgrund von Rückmeldungen der Digital-Kompass-Standorte entstanden ist. Die dort tätigen Engagierten fragten nach einer konkreten Unterstützung für Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen, die sie in ihren regulären Beratungsalltag integrieren wollten. Die gesammelten Tipps und Erfahrungen von A. Ostrowski und G. Brendel sollen in Qualifizierungen für Ehrenamtliche aufbereitet werden, um das Wissen weiterzugeben. Diese Qualifizierungen stehen allen offen, die ihr digitales Wissen teilen möchten.

In Zukunft kann dann gezielter darauf hingewiesen werden, dass es neu-geschulte Anlaufstellen gibt, wo betroffene Menschen Unterstützung finden können.

Welche Empfehlungen kann man gegenüber den Produzenten oder Anbietern aussprechen, um potenzielle Barrieren zu vermeiden oder zu minimieren?

D. Kwasniok hebt die Bedeutung der Schaffung geeigneter Infrastrukturen hervor, um physische Barrieren zu vermeiden, insbesondere für Menschen, die in ländlichen Gebieten leben. Zusätzlich betont er die Notwendigkeit einer Sensibilisierung für Barrierefreiheit, besonders in der Lehre.

A. Ostrowski sagt, es ist wichtig, bereits bei der Herstellung von Geräten, Software und Webseiten auf Barrierefreiheit zu achten. Normen und Vorschriften existieren, sie sind möglicherweise nicht ganz ausreichend für Menschen mit Sehbehinderungen, bringen aber bereits einige Erleichterungen mit sich. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) bietet nützliche Tipps zur Vermeidung von Barrieren und zum Umgang mit schriftlichen Materialien.

Nach G. Brendel sollten Produzenten und Anbieter grundsätzlich an die Vielfalt der Menschen denken und sich bewusst machen, dass es Millionen von Menschen mit verschiedenen Einschränkungen gibt. Es ist wichtig, bestehende Vorgaben zur Gestaltung von barrierefreien PowerPoint-Präsentationen und Arbeitsmaterialien zu beachten. Es wird empfohlen, Untertitel und Verschriftlichungen für Hörbehinderte anzubieten und klaren Sichtkontakt herzustellen.

Fazit - Warum engagierst Du dich beim Digital-Kompass?

M.-C. Schoeffel ist es ein wichtiges Anliegen, die Menschen aufzufordern zusammen zu kommunizieren und nach Wegen für ein inklusives Miteinander zu suchen. Als Beispiel nennt sie die Kommunikation mit dem Anbieter des Podcast-Players über die bis dahin unzureichende Zugänglichkeit der Podcasts und einer zukünftigen Umsetzung. Als Ergebnis gibt es nun die Möglichkeit, barrierefreie Podcasts für alle zu gewährleisten.

G. Steinke engagiert sich beim Digital-Kompass, weil das Projekt eine wichtige Orientierung bietet. Mit Online-Angeboten, gedruckten Materialien und lokalen Veranstaltungen, die in Zusammenarbeit mit den engagierten Partnern umgesetzt werden. Besonders schätzt G. Steinke, dass diese Partner eine ermutigende Rolle spielen und Menschen aktiv einbeziehen.

A. Ostrowski sieht durch ihr Engagement beim Digital-Kompass einen direkten Beitrag, den sie leisten kann, um die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen stärker ins Bewusstsein zu rücken, um Barrieren abzubauen und um passende Unterstützungsangebote weiterzuentwickeln und zu vernetzen.

G. Brendels Motivation besteht darin, Hörbeeinträchtigten und älteren Menschen die Angst vor der Nutzung von digitalen Medien abzubauen und ein niederschwelliges Angebot anzubieten. Ein weiteres Ziel ist die Gestaltung von barrierefreien Zugängen für online und Vor-Ort-Schulungen und Veranstaltungen, welche mit einfachen Mitteln barrierefreier werden können.

Für D. Kwasniok soll die Digitalisierung und die damit einhergehenden Chancen jedem gleichermaßen zugänglich und erfahrbar gemacht werden. Die Studierenden in den Austausch mit den betroffenen Personen zu bringen ist von Bedeutung, da diese Gruppen im alltäglichen Leben womöglich eher nicht aufeinandertreffen, so sind die Entscheidungsträger der Zukunft nun direkt für diese Themen sensibilisiert. Diese Erfahrungen können in den späteren Arbeitsalltag mit hineingetragen und umgesetzt werden.

Soziale Teilhabe setzt mittlerweile in vielen Lebensbereichen digitale Teilhabe voraus, dafür ist es notwendig digitale Kompetenzen zu erwerben, so K. Braun. Die niedrigschwellige Technikvermittlung, die in den Digital-Kompass Standorten stattfindet, schafft eine vertrauensvolle Lernumgebung. Diese führt dazu, dass sich Menschen weiteren Themen mehr öffnen. „Es ist eine fortwährende Aufgabe, Digitalisierung ist als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen“, so K. Braun.

Redaktion Blogbeitrag: Mayumi E. Feuerlein

Weitere Informationen unter www.digital-kompass.de

Fragen und Anmerkungen an: podcast@digital-kompass.de

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Von
M.-Ch. Möhring