27. Juni 2022

Profi-Tipps für virtuelle Ausflüge

Virtuelle Welten erkunden

Zwei Senioren tragen VR-Brillen.
Quelle
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Viele haben sie und ihre Texte nicht vergessen. Sabine Wolf von der BAGSO hat uns alles Wissenswerte zum Thema VR-Brille zusammengestellt.

Auf Berge steigen, im Meer tauchen, nach Japan reisen, den Mond besuchen, eine Runde Minigolf spielen, beim Angeln entspannen und zum Abschluss mitten im Konzertsaal Musik genießen, das alles lässt sich innerhalb weniger Stunden und ohne die eigenen vier Wände zu verlassen erleben. VR-Technologien machen es möglich. VR steht für Virtual Reality (englisch), also Virtuelle Realität, und mehr und mehr ältere Menschen begeistern sich dafür – auch an zahlreichen Standorten des Digital-Kompass.

Unsere Kollegin von der Servicestelle „Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen“ stellen uns daher freundlicherweise ihren Artikel rund um VR zur Verfügung.

Stellen Sie sich eine virtuelle Realität wie ein Rundumkino vor: Schauen wir mit der VR-Brille nach oben, sehen wir vom Sofa aus zum Beispiel einen strahlend blauen Himmel statt der Zimmerdecke, schauen wir nach unten, blicken wir dann auf einen steinigen Wanderweg, drehen wir uns einmal rundherum, genießen wir die Panorama-Aussicht von einem Berggipfel. Ein paar Knopfdrücke später könnten wir im Vergnügungspark Achterbahn fahren oder in einer virtuellen Hotellobby die zuvor gelernten Englisch-Vokabeln üben.

Einen Tag an der frischen Luft ersetzen Ausflüge in virtuelle Welten natürlich nicht. Aber sie können für Abwechslung im Alltag sorgen, virtuelle Reisen oder Konzertbesuche ermöglichen, wenn die Beine nicht so gut mitmachen, oder neugierig auf die Chancen neuerer Technologien machen.

Wie funktioniert’s?

Virtuelle Realitäten sind durch Computer erzeugte Welten. Mal sieht sie aus wie in einem Zeichentrickfilm, mal kommt sie der Wirklichkeit sehr nahe. Wir Menschen betreten diese Welten durch eine VR-Brille (oft auch VR-Headset genannt), können uns darin umsehen und uns häufig sogar bewegen und mit sogenannten Controllern (kleine Bediengeräte) mit virtuellen Gegenständen oder Personen interagieren.

Das Gefühl, sich mittendrin in einer anderen Realität weit weg vom eigenen Wohnzimmer zu befinden, entsteht dadurch, dass eine VR-Brille aus zwei Bildschirmen besteht, die für jedes Auge leicht unterschiedliche Bilder anzeigen. Das Gehirn setzt die Bilder dann zu einem neuen dreidimensionalen Bild zusammen. Außerdem werden die Bilder den Kopfbewegungen angepasst und das Bild folgt unserem Blick. So können wir uns in einem virtuellen Welt ähnlich wie in der Realität umschauen.

Augmented Reality

Außer der virtuellen Realität gibt es auch eine erweiterte Realität bzw. im Englischen „Augmented Reality“ (AR). Hier kommen reale Welt und virtuelle Elemente zusammen, in dem über eine AR-Brille oder das Smartphone Informationen oder Bilder eingeblendet werden. Das können zum Beispiel die Namen von Bergen sein, die Sie sich gerade anschauen, oder Sie lassen sich vor dem Kauf die neuen Möbel erst einmal virtuell in Ihrer Wohnung anzeigen. Wer AR testen möchte und ein entsprechend ausgestattetes Smartphone besitzt, kann sogar einige Suchergebnisse (z.B. Tiere) der Google-Suchmaschine in der eigenen Wohnung platzieren. Mit AR lässt sich auch Geschichte erzählen, das versucht zum Beispiel die MauAR App zur Berliner Mauer (nur Iphone).

VR-Ausflüge in die Vergangenheit

Für diejenigen, die VR erst einmal bei einem Ausflug ausprobieren möchten, gibt es in einigen Städten neben VR-Spielhallen auch VR-Stadtführungen mit Zeitreisen ins mittelalterliche München, ins Frankfurt des 19. Jahrhunderts oder ins Berlin der 80er Jahre.  Auch Museen setzen VR-Technologien ein. In Leipzig und Frankfurt wird beispielsweise derzeit Goethes Faust durch VR zum Leben erweckt.

Technik für das VR-Erlebnis zuhause

Keine Frage, VR-Technologien sind teuer. Das betrifft Eintrittspreise für VR-Erlebnisse, aber auch die nötige Technik, wenn Sie eine VR-Brille für sich oder Ihre Einrichtung kaufen möchten. Ein erster kostengünstiger Einstieg in virtuelle Welten ist aber bereits mit dem Smartphone möglich. Dafür klemmt man das Smartphone in eine Halterung, oft aus Pappe oder Silikon. Das ursprünglich von Google entwickelte Pappmodell „Cardboard“ gibt es mittlerweile nur noch von alternativen Anbietern, manchmal als Werbegeschenk und im Netz finden sich sogar Bastelanleitungen für VR-Brillen aus einem Pizzakarton. So ausgestattet lassen sich dann 360-Grad-Videos abspielen oder einfache VR-Anwendungen nutzen.

Für intensivere Erfahrungen sorgen „Stand-Alone-Headsets“, das heißt, sie kommen ohne zusätzlichen Computer aus. Für diese Geräte benötigen Sie lediglich einen Internetanschluss. Zudem ist ein Kundenkonto nötig, eine entsprechende App wird auf dem Smartphone installiert. Stand-Alone-Geräte sind 2022 zwischen 350-450 Euro zu haben. Wer einen leistungsstarken Computer besitzt, kann auf VR-Brillen verschiedener Anbieter zurückgreifen, den Preisen nach oben sind hier wenig Grenzen gesetzt. Sollte in Ihrer Organisation oder Familie die Spielkonsole Playstation 5 vorhanden sein, lohnt auch das Warten: Für 2023 wurde ein neues VR-Headset angekündigt.

Anwendungen und Spiele

Das Angebot von VR-Anwendungen und -Spielen ist groß und schwer zu überblicken. Wir haben daher einige Tipps zum Einstieg in virtuelle Welten zusammengestellt. Bitte beachten Sie, dass nicht jede Anwendung für jedes VR-System zur Verfügung steht und zum Teil Kosten entstehen. Teilweise sind Englisch-Kenntnisse notwendig. Der Fokus unserer Empfehlungen liegt auf Anwendungen für „Stand-Alone-Headsets“.

  •  360-Grad-Videos
    360-Grad-Videos eigenen sich gut für die ersten Erfahrungen mit einer VR-Brille und können auch mit den schlichten Varianten aus Pappe angeschaut werden. Im Gegensatz zu VR-Anwendungen kann man sich zwar in alle Richtungen umschauen, sich aber nicht bewegen oder interagieren. Es handelt sich dabei oft um Aufnahmen der realen Welt, nicht um künstlich erschaffene Realitäten. Einige sehenswerte Videos finden Sie bei ZDF: 360°, YouTube: AirPano VR oder Arte: 360° und Virtual Reality Videos. Auch verschiedene Museen und Gedenkstätten bieten 360-Grad-Videos an wie z.B. die Gedenkstätte Hohenschönhausen, um über die DDR-Vergangenheit zu informieren, oder das Dalí Museum.
  • Nachdenklich: Anne Frank Haus VR
    Der kostenlose virtuelle Rundgang durch das Anne Frank Haus dauert ca. 25 Minuten.
  • Virtuell reisen: Wander
    Mit der App Wander kann man Orte besuchen, in denen man früher gelebt hat, oder Länder bereisen, die man schon immer einmal sehen wollte.
  • In Postkarten-Landschaften eintauchen: Brink
    Viel ist hier nicht zu tun, aber daher sehr gut für den Einstieg geeignet: Mit Brink können Sie eindrucksvolle, postkartenschöne Landschaften vor allem in den USA besuchen. Begleitende, aber nicht dringend notwenige Informationen nur in englischer Sprache.
  • Minigolf: Walkabout Mini Golf VR
    Für die recht einfache Bedienung des Minigolf-Spiels reicht ein Controller aus. Unser Tipp für ein geselliges Spiel, wenn mehrere VR-Brillen vorhanden sind oder Sie sich mit befreundeten VR-Brillen-Nutzerinnen und Nutzern virtuell treffen möchten.
  • Puzzeln in 3D: Puzzling Places
    Ruhiges Puzzle in 3D, bei dem nach und nach ein realer Ort entsteht.
  • Angelspiel: Bait!
    Kostenloses Angelspiel im Zeichentrickstil. Wer Spaß daran findet, kann es auch einmal mit dem Spiel Real VR Fishing versuchen, das eine realistischere Grafik bietet.
  • Flipper: Pinball FX2 VR / Star Wars Pinball VR
    Wo stehen eigentlich noch Flipper? Wer gern mal wieder flippern würde, findet hier verschiedene virtuelle Flipper und kann die eigene Geschicklichkeit testen.
  • Meer erkunden: Ocean Rift
    Hier können Sie in verschiedenen Bereichen des Meeres schwimmen und der entsprechenden Tierwelt begegnen.
  • Sprachen lernen: Mondly
    Unser Plädoyer: Neugierig bleiben und immer weiterlernen! Mit Mondly kann man in simulierten Alltagssituationen verschiedene Sprachen üben.
  • Bigscreen: Gemeinsam Filme schauen
    Mit dieser App kann man sich Avatare erstellen, sich treffen und gemeinsam im virtuellen Wohnzimmer, Autokino oder verschiedenen Kinosälen Filme leihen und schauen. Die App selbst ist kostenlos, das Ausleihen kostet Gebühren.
  • Jetzt wirds sportlich: Beat Saber
    Wenn Sie eins der beliebtesten VR-Spiel überhaupt testen möchten: Beim Musik-Rhythmus-Spiel Beat Saber zerschlägt man mit zwei Lichtschwertern Würfel. Das macht mehr Spaß, als man denkt, und bringt einen ganz schön ins Schwitzen. Den meisten älteren Testerinnen und Testern wars bisher allerdings zu hektisch und die Musikauswahl zu sehr auf junge Menschen ausgerichtet.

Tipps für den Einstieg

Das Ausprobieren von VR-Brillen mit digitalen Einsteigerinnen und Einsteigern muss gut vorbereitet werden und bedarf ein wenig Übung. Unsere Tipps:

  • Präsentieren üben: Lernen Sie das Gerät gut kennen, bevor Sie es anderen zeigen. Üben Sie das Aufsetzen des Headsets und auch das Erklären der Technik erst einmal mit technikaffinen Interessierten.
  • Hygiene beachten: Die VR-Brille sitzt eng auf dem Gesicht, achten Sie daher auf die Hygiene und desinfizieren Sie die Brillen und Controller vorsichtig. Abwischbar sind z.B. Silikon-Cover. Tipps zur VR-Hygiene gibt’s beim LVR-Zentrum für Medien und Bildung.
  • Drehstuhl: Starten Sie zunächst mit einer VR-Einheit im Sitzen. Hilfreich ist ein Drehstuhl, so können sich die VR-Nutzenden vorsichtig drehen und die Umgebung ansehen, ohne den Kopf verrenken zu müssen.
  • Bild auf einen Monitor übertragen: Übertragen Sie das Bild der VR-Brille auf einen Monitor, das macht es für die weiteren Teilnehmenden interessanter und Sie können beim Steuern der VR-Brille besser helfen.
  • Controller: Übernehmen Sie zu Beginn die Kontrolle, die Bedienung der ungewohnten Geräte lenkt vom VR-Erlebnis ab oder macht unsicher. Nutzen Sie stets die Sicherheitsbänder der Controller, um sie an den Handgelenken zu befestigen.
  • Ruhig starten: Beginnen Sie zunächst mit einem ruhigen Landschaftsvideo. Fragen Sie vorher nach, ob jemand Höhenangst hat. Aufnahmen von Bergen sollten dann besser vermieden werden.
  • Vorsicht, Schwindelgefahr! Wenn die Bewegungen, die in der virtuellen Welt wahrgenommen werden, nicht mit dem Gleichgewichtssystem im Innenohr übereinstimmen, kann es zu Schwindel und Übelkeit kommen. Dies passiert vor allem dann, wenn man sich in der virtuellen Welt (schnell) bewegt, in der Realität aber nicht. Erste Hilfe: Augen schließen, VR-Brille absetzen und eine Pause einlegen.
  • Foren und Gruppen nutzen: Brauchen Sie Tipps zu bestimmten Anwendungen oder haben Sie eine technische Frage? Schauen Sie sich nach Foren oder Gruppen um, die zu Ihrer VR-Brille passen. Oft bieten diese eine Rubrik “Häufig gestellte Fragen” an oder andere Mitglieder reagieren auf speziellere Fragen. Rezensionen zu Spielen und Anleitungsvideos gibt es zuhauf auch bei YouTube.

VR in Senioreneinrichtungen

Einige Senioreneinrichtungen erproben VR-Technologien. Dabei geht es zum Beispiel um Erinnerungsarbeit wie bei einer Tagespflege in Magdeburg, um Abwechslung vom Alltag einer stationären Einrichtung wie im Caritas-Altenzentrum St. Maternus oder auch um Menschen mit Demenz „ein digitales Fenster in die virtuelle Welt“ zu öffnen – wie zum Beispiel bei einem Projekt der Seniorenberatung in Hannover oder im Kultur- und Erzählcafé Pusteblume. Auch immer mehr kommerzielle Anbieter richten ihr Angebot auf Einrichtungen für ältere Menschen aus, erstellen bzw. sammeln 360-Grad-Filme, verkaufen entsprechende Software, vermieten VR-Brillen oder bieten eine vereinfachte Steuerung der Technik an. Dazu gehören Magic Horizons, Granny Vision, Senopi und Remmy. 

Weitere Einsatzfelder von VR-Technologien

Sowohl VR- als auch AR-Technologien werden nicht nur für Spiele und Unterhaltung eingesetzt. So können zum Beispiel in einer virtuellen Umgebung riskante Arbeitsabläufe trainiert werden. Im Gesundheitswesen können VR und AR eingesetzt werden, um Operationen zu planen oder Phobien wie Höhenangst zu therapieren. In der Architektur kann VR dabei unterstützen, Raumdimensionen abzuschätzen, Änderungen bei der Gebäudeplanung vorzunehmen oder die geplanten Räume schon im Vorfeld virtuell zu betreten.  VR-Anwendungen können jungen Menschen bei der Berufswahl helfen, in dem sie Eindrücke in verschiedene Arbeitswelten gewinnen, oder im Unterricht eingesetzt werden, um z.B. Geschichte greifbarer zu machen.

Weitere Informationen finden Sie im ursprünglichen Artikel, der am 2. Juni auf wissensdurstig.de erschienen ist.

Kennen Sie VR-Anwendungen, die älteren Menschen Spaß machen? Haben Sie einen Tipp für den Einsatz von VR-Brillen? Dann senden Sie gerne eine E-Mail an Sabine Wolf, wolf@bagso.de.

Von
K.Braun