Hass im Netz – ohne mich!
Hate Speech und Fake News, diese Begriffe bestimmen seit einiger Zeit viele Diskussionen um das Internet. Gemeint sind über soziale Netzwerke verbreitete Hassbotschaften und bewusst gefälschte Informationen. Mehr als die Hälfte der im Frühjahr 2019 im Rahmen des Projektes „Digital mobil im Alter“ von uns befragten Multiplikator*innen haben gesagt, dass diese Themen in ihrer Arbeit mit älteren Menschen kaum eine Rolle spielen. Woran liegt es, dass daran kein Interesse vorhanden ist?
Deutschland hat in 2017 als eines der ersten Länder auf die Verbreitung von Hate Speech und Fake News reagiert und mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) die Löschung derartiger Inhalte in sozialen Medien geregelt. Offensichtlich nach dem deutschen Strafgesetzbuch unzulässige Inhalte müssen sofort gelöscht oder gesperrt werden; wo die Entscheidung über die strafrechtliche Relevanz weniger eindeutig ist, wird eine Frist von sieben Tagen zur Prüfung eingeräumt. Plattformanbietern, die nicht reagieren, drohen hohe Strafgelder. Die angeordnete Löschung von Inhalten hat auch zu Debatten um die Einschränkung der Meinungsfreiheit geführt: Ist es staatliche Zensur, wenn illegale Beiträge im Netz durch die Anbieter gelöscht werden?
Auf europäischer Ebene werden gezielte Fehlinformationen, Diffamierungen und Beleidigungen durch unterschiedliche Strategien adressiert. Die Europäische Kommission fördert Projekte, um die Phänomene zu erforschen und zu bekämpfen. Der Europarat hat mit dem No-Hate-Speech-Movement eine europaweite Kampagne initiiert. Durch das eingängige Logo ist die Absicht leicht zu erkennen, selbst wenn man die Sprache nicht versteht. Auch ich trage den Button mit dem roten Herz immer am Revers und bin so in vielen Ländern mit Menschen jeden Alters über den Umgangston im Netz ins Gespräch gekommen. Ältere wie jüngere finden es gut, sich auf diese Art und Weise dazu zu bekennen, dass man Hassbotschaften ablehnt. Gleichzeitig führen Meldungen über Hass im Netz bei Senior*innen oft zu einer negativen Einstellung gegenüber dem Internet: „Da findet man nur Schmutz, Lug und Betrug, das muss ich mir nicht antun.“ Wer so argumentiert und damit begründet, warum er oder sie nicht ins Internet geht und sich nicht an Online-Diskussionen beteiligt, dessen Stimme fehlt. Ich bin davon überzeugt, dass wir das Netz nicht nur denjenigen überlassen dürfen, die mit ihren Kommentaren und bewusst gefälschten Informationen den gesellschaftlichen Zusammenhalt untergraben wollen. Gerade Ältere, die Propaganda, Manipulation und politische Beeinflussung persönlich erlebt haben, können einen wichtigen Beitrag zu einer sachlichen und aufklärenden Debatte liefern. „Freiheit ist immer Freiheit des anders Denkenden“, dieses Zitat von Rosa Luxemburg gilt auch im Internet. Dazu müssen diejenigen, die anders denken, die Hassbotschaften ablehnen und Falschmeldungen widersprechen können, hörbar und sichtbar werden im Netz.
Ein Beitrag von Jutta Croll M. A.
Stiftung Digitale Chancen
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