Einblicke in die Arbeit vor Ort
Das FrauenComputerZentrum Berlin im Interview!
Einblicke in die Arbeit vor Ort
Digitale Teilhabe ist heutzutage für alle Personengruppen essenziell. Die Bedeutung beginnt mit Medienpädagogik im Kindesalter und reicht bis ins hohe Alter. Dabei gibt es eine Vielzahl differenzierter Angebote. Wir sind dankbar, dass einer unserer Standorte in Berlin sich speziell mit der digitalen Teilhabe von (älteren) Frauen auseinandersetzt. Denn aktuelle Studien zeigen, dass vor allem diese Zielgruppe oftmals weniger digital dabei ist.
Stellen Sie sich und Ihre Arbeit vor Ort doch bitte einmal kurz vor!
Ich bin Daniela Walter und arbeite seit 2022 im FrauenComputerZentrumBerlin e.V. (FCZB) als pädagogische Mitarbeiterin und unterstütze seitdem berlinweit Frauen 65+ in 7-wöchigen Smartphone- und Internetschulungen im Projekt „Zusammen Digital mit Frauen 65+“. Davor habe ich zehn Jahre lang in der Krankenpflege gearbeitet, anschließend mit Menschen mit Behinderung in einer Tagesfreizeitstätte. Nach einem Studium der Gesundheitswissenschaften, in welchem ich insbesondere an Themen der Digitalisierung und Bildung Interesse hatte, bin ich zufällig mit der Erwachsenenbildung für lebenserfahrene Menschen mit dem Schwerpunkt Digitalisierung in Berührung gekommen – nun ist Interesse zum Beruf geworden.
Was genau ist und macht das FCZB?
Das FCZB ist eine gemeinnützige Frauenbildungsorganisation mit einem Team von 35−40 festen Mitarbeitenden. Gestartet sind wir 1984 mit der bundesweit ersten Computer-Weiterbildung nur für Frauen: „Keine Angst vor Computern“ sollte Frauen ermutigen, sich in der digitalen Welt zu bewegen und die Technik für neue berufliche Chancen zu nutzen – in einer Zeit, in der es viele Vorurteile gegenüber der Nutzung von Technik durch Frauen gab, denen es zu begegnen galt. Wiedereinsteigerinnen, erwerbslose und berufstätige Frauen sind bis heute wichtige Zielgruppen von zahlreichen Projekten zur Förderung digitaler Teilhabe im Beruf und im Alltag. Es gibt derzeit elf Projekte, fast ausschließlich finanziert über öffentliche Fördermittel (Land, Bund, EU).
Welche Projekte gibt es genau? Stellen Sie gern einige vor.
-
„Fit für den Job“ ist ein Projekt zum beruflichen Wiedereinstieg von erwerbslosen Frauen. Dieses Projekt ermöglicht den Erwerb von Know-how im Umgang mit verschiedenen Software-Programmen und Online-Anwendungen für Bürojobs. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt „Porta Restart“. Frauen, die schon länger aus dem Beruf raus sind, weil sie länger krank waren und sich jetzt neu orientieren müssen, lernen hier individuell begleitet und in ihrem eigenen Tempo.
-
„Digital Empowerment“: Dieses Projekt richtet sich speziell an Frauen mit Fluchtgeschichte. Digital- und Medienkompetenzen stehen auch hier im Vordergrund. Außerdem können die Teilnehmerinnen auch ihre Deutschkenntnisse erweitern und lernen, Computer und Online-Angebote dafür einzusetzen. Sie lernen Begriffe für die Arbeit mit digitalen Geräten kennen und erhalten Hilfe zur Orientierung in Berlin und zur Funktionsweise des Bildungssystems, zu Arbeit, Gesundheitswesen etc. in Deutschland. Im bundesweiten Projekt „Mikado open up“ werden Multiplikatorinnen und Multiplikatoren weitergebildet , um selbst Computer-Kurse für geflüchtete Frauen zu geben.
- „Zusammen Digital mit Frauen 65+“ läuft seit knapp zwei Jahren. Es ist ein kostenloser siebenwöchiger Smartphone- und Internetkurs. Wir verfolgen hier einen aufsuchenden Ansatz: Mit einem kleinen Team gehen wir an Orte in Berlin, die uns als Referentinnen einladen. Die Orte sind so gewählt, dass sozial benachteiligte Frauen digital teilhaben können. Im Fokus des Kurses steht digitales Grundlagenwissen und der Aufbau von Handlungskompetenz. Die Themen werden gemeinsam mit den teilnehmenden Frauen festgelegt. Das Üben und Ausprobieren vor Ort sind das A und O. Über einen Messenger-Dienst erhalten die Teilnehmerinnen regelmäßig Infos, Tipps und Tricks zu Lerninhalten und Hinweise auf Veranstaltungen und weiterführende Angebote. So können die Teilnehmerinnen auch nach Beendigung der Trainings am Ball bleiben.
Die Teilnehmenden sind zwischen 65 und 80 Jahre alt. Manche fühlen sich im „Digitalzwang“ (Banken schließen, Terminbuchungen funktionieren nur noch online etc.) und nehmen an den Kursen teil, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Andere haben einfach ein großes Interesse am Lernen und an dem Thema Digitalisierung.
Das Projekt wird gefördert aus Mitteln der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.
Wieso ist digitale Teilhabe aus Ihrer Sicht besonders für ältere Frauen wichtig? Wo liegen Chancen und Herausforderungen?
Digitalisierung bietet einfach viele Chancen, den individuellen Lebensalltag zu bereichern. Beispielsweise kann dem Thema Mobilitätsbeeinträchtigung mit digitaler Technik, z.B. Navigations-Apps, gut begegnet werden. Durch die Nahverkehrs-Apps vor Ort kann man sich über die Gegebenheiten an der Haltestelle informieren: Funktioniert der Aufzug? Wenn nicht: Gibt es Personen von der BVG (Begleitpersonal des Personennahverkehrs), die stattdessen gerufen werden können?
Allerdings besteht teilweise Angst und Scham im Umgang mit der digitalen Technik. Diese muss überhaupt erstmal individuell angenommen werden, und es muss Motivation entstehen, sich mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen. „Ich kann das nicht“, ist ein häufiger Satz.
Durch das Ausprobieren vor Ort werden die Teilnehmerinnen sicherer und entdecken Möglichkeiten an den Geräten oder durch Apps, die ihnen vorher nicht bekannt waren. Dass digitale Teilhabe auch Spaß machen kann, steht zu Beginn des Kurses bei den Teilnehmerinnen meist erstmal nicht im Vordergrund. Doch in den 7 Wochen entsteht oft eine gewisse Freude am „Dabei-Sein“, am Lernen und Ausprobieren. Zudem erleben die Teilnehmerinnen gemeinsam, dass auch die Technik selbst, eine App oder andere digitalen Möglichkeiten, ihre Tücken haben kann. Das Problem liegt nicht immer bei der Person, die das Gerät bedient.
Besonders wichtig ist uns, dass unsere Teilnehmerinnen während der Kurse selbst als Multiplikatorinnen für ihre Tischnachbarinnen agieren und sich gegenseitig auch weiterhelfen können bzw. sollen. Es geht uns um Erfahrungs- und Praxisaustausch: Viele haben ähnliche Probleme und einige schon eine Lösung dazu gefunden. Die Teilnehmerinnen zu ermuntern, sich zu trauen, Probleme zu teilen, liegt uns am Herzen. Teilweise unterstützen sie dann mit ihrem Wissen auch Freundinnen und Freunde zu Hause oder tauschen vermehrt z. B. Bilder und Nachrichten über Messenger-Dienste aus, insbesondere bei Immobilität oder Krankheit.
Handlungsbedarf sehe ich vor allem bei der wenig altersgerechten Gestaltung vieler technischer Anwendungen, beispielsweise beim Aufbau von Webseiten oder Apps. Hier sind die Strukturen, z. B. der Aufbau der Oberflächen, oft zu überladen mit Informationen. Das Inhalts- oder Navigationsmenü überdeckt beim Anklicken manchmal den Text und die Bedeutung von Symbolen ist meist nicht direkt erkenntlich. Die Menüpunkte liegen sehr nah beieinander und dann muss noch gezielt geklickt werden, um auf die gewünschte Seite zu kommen. Das erschwert die Bedienung von Webseiten! Beim Buchen von Terminen oder Eintrittskarten muss außerdem oft zu schnell geklickt werden, sonst ist der Termin oder die Karte vergriffen.
Ich würde bspw. gerne Lerngruppen so anleiten, dass sie ein noch nicht fertiges „Produkt“ (Webseite, Endgerät, App etc.) auf (vorgegebene) Tücken testen und dann ein Feedback bzgl. Nutzungsfreundlichkeit oder der gleichen an die Entwicklungsfirma geben. Ich denke, wir müssen die Endverbraucherinnen und den Endverbraucher viel stärker im Entwicklungsprozess verankern.
Das bedeutet auch, dass wir als Gesellschaft uns mehr mit dem Thema Digitale Barrierefreiheit auseinandersetzen müssen. Spezifischen Gruppen haben spezifische Bedienschwierigkeiten. Internet und Technik soll für alle (gleich gut zugänglich) sein!
Zum Standort
Liebe Frau Walter, wir bedanken uns ganz herzlich für das spannende Interview über Ihre Arbeit vor Ort! Wir sind dankbar, dass Sie Teil unseres Netzwerkes geworden sind.
Weitere Informationen gibt es direkt auf der Seite des FCZB.